Logopädie


Entsprechend der Komplexität von Sprache und des Sprechens sind Störungen der verbalen Kommunikationsfähigkeit in der Neurologischen Rehabilitation vielfältig und häufig. Die spezifische Diagnostik und Therapie neurologisch bedingter Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen ist die primäre Aufgabe der Logopädie. Dabei können einzelne Störungsschwerpunkte herausgearbeitet werden, die in der Praxis aber oftmals miteinander kombiniert vorliegen.

Als Aphasien werden Störungen der Sprachbildung und/oder der Spracherfassung bezeichnet, die durch eine Schädigung der für eine bestimmte sprachliche Teilleistung zuständigen Hirnregion eingetreten sind. Sie können alle Modalitäten der verbalen Sprache, wie das Sprachverständnis und die phonematischen, semantischen oder syntaktischen Fähigkeiten bei der Sprachexpression, einschließlich der Schriftsprache, betreffen. Auf der Basis des Aachener Aphasietests (AAT, Huber et al 1983), der für differenzierte Fragestellungen durch weitere Tests ergänzt werden muss, werden die betroffenen Teilleistungsstörungen ermittelt und einer gezielten Behandlung zugeführt. Da auch primär kognitive Störungen Auswirkungen auf die sprachlichen Fähigkeiten haben können, ergeben sich zuweilen Überschneidungen zur Neuropsychologie. In den interdisziplinären Teamkonferenzen wird sichergestellt, dass diese Aspekte erfasst und bei der Festlegung der konzertierten Behandlungsstrategie berücksichtigt werden.

Therapeutisch steht in der Akutphase einer Aphasie, d. h. innerhalb der ersten 6 Wochen nach der eingetretenen Störung, eine multimodale Deblockierung und Sprachaktivierung im Vordergrund. Übermäßiges Korrigieren von Wortverwechselungen (Paraphasien) oder -neubildungen (Neologismen) sollte dabei unterbleiben. In der anschließenden Stabilisierungsphase folgt dann eine symptomorientierte sprachsystematische Behandlung, für die umfangreiche neurolinguistische Therapiematerialien zur Verfügung stehen. Wenn nach 6 Monaten immer noch sprachsystematische Beeinträchtigungen bestehen, muss von einer chronischen Aphasie ausgegangen werden. In dieser Phase werden dann auch kompensatorische Kommunikationsstrategien wie die Gestensprache, die Nutzung eines Kommunikations-Handbuches oder anderer Kommunikationshilfen erarbeitet.

Isolierte Störungen des Umgangs mit Zahlen, sogenannte Akalkulien, die das Mengenverständnis und das operative Rechnen betreffen und so z. B. das Ablesen einer Uhr oder den Umgang mit Geld unmöglich machen können, sind selten. Oftmals ist diese Form der Beeinträchtigung aber mit einer Aphasie vergesellschaftet und muss in der logopädischen Einzeltherapie mitbehandelt werden. Auch hierfür stehen umfassende Therapiematerialien zur Verfügung, deren Auswahl sich nach dem Schweregrad und der genauen Art der Störung richtet.

Gegenüber den Aphasien, die die „innere Struktur“ der Sprache betreffen und den (buccofazialen und/oder Sprech-) Apraxien, die die Initiierung und Ausführung mimischer und artikulatorischer Bewegungen beeinträchtigen, sind die Dysarthrophonien als neurogene Störungen des Sprechens, der Stimme und der Sprachmelodie (Prosodie) abzugrenzen. Ihre Ursachen können vielfältig sein und betreffen sowohl Schädigungen des Zentralnervensystems als auch des eigentlichen „Sprechapparates“, d. h. der Stimmgebungs-, Artikulations- und Atmungsorgane. Die Behandlung dieser Störungen ist entsprechend komplex und erfordert häufig ein vorgeschaltetes oder begleitendes Wahrnehmungstraining, um die Patienten in die Lage zu versetzen, ihre eigene Sprechweise besser einschätzen und korrigieren zu können. Neben der individuellen sprechmotorischen Übungsbehandlung stehen für die weitere Therapie auch computergestützte Verfahren zur Verfügung.

Bei bewusstseinsgestörten Patienten in der Rehabilitationsphase B stehen zunächst häufig die Erfassung sprachlicher Beeinträchtigungen und der Aufbau eines einfachen Verständigungskanals im Vordergrund. Als Experten können die Logopäden dabei vorhandene Kommunikationsstörungen gezielt erfassen und dem Behandlerteam und Angehörigen wertvolle Hinweise zum Umgang mit dem individuellen Störungsbild geben.

Eine weitere Aufgabe der Logopädie in den Behandlungsphasen B und C ist die Hemmung pathologischer orofazialer und mandibulärer Reflexaktivitäten, die im weiteren Verlauf die Sprechmotorik beeinträchtigen können. Dies leitet über zur fazio-oralen Therapie, die von den Logopäden, Ergotherapeuten und dem Pflegedienst gemeinsam übernommen wird. Vorrangiges Ziel ist dabei die Behandlung von Schluckstörungen (Dysphagien), um den Patienten ein Abschlucken von Speichel und eine gefahrlose orale Nahrungsaufnahme zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine genaue klinische und endoskopische Diagnostik der gestörten Teilfunktionen (z. B. Sensibilität und Motilität im Mund-, Zungen- und Rachenbereich, unzureichende oder überschießende Schutzreflexe), um dann eine adäquate Therapie einleiten zu können. Spezielle Kostformen, die die Nahrungskonsistenz in besonderer Weise berücksichtigen und in verschiedenen Phasen der Dysphagiebehandlung eingesetzt werden können, werden in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Diätetik entwickelt.

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